10 Fragen an…Michael Finkler

In unserem Interviewformat „Zehn Fragen an..“ begrüßen wir heute Michael Finkler.

wndn.de: Stellen Sie sich bitte kurz vor. 

Michael Finkler: Ich bin gebürtiger St. Wendeler, 61 Jahre, und wohne nach einigen Jahren Aufenthalt im Schwabenland, wieder mit meiner Familie im schönen St. Wendel. Nach 10 Jahren bei einem großen amerikanischen Computerkonzern, gründete ich mit einem Team Anfang der 90er Jahre das Unternehmen proALPHA in Weilerbach bei Kaiserslautern und bin Geschäftsführer dieses IT-Unternehmens. proALPHA ist mit mehr als 2.200 Mitarbeitern, mittlerweile ein führendes Softwareunternehmen für Business Anwendungen/Künstliche Intelligenz/Energie- und CO2-Management im vorwiegend industriellen Bereich. Aus meiner Funktion heraus bin ich gleichzeitig Mitglied von Beiräten und Vorständen verschiedener Organisationen.

Seit mehr als 20 Jahren bin ich aktiver Rotarier und Mitglied beim Rotary Club St. Wendel-Stadt. So bin ich seit mehr als 10 Jahren für internationalen Hilfsprojekte im Distrikt Süd-West zuständig und bin gleichzeitig Initiator und Projektleiter eines großen humanitären Hilfsprojektes in Kenia, eine der ärmsten Regionen Ostafrikas. Wir kümmern uns dort um die unterschiedlichsten Bereichen wie Ausbildung, Wasserversorgung, Gesundheitsvorsorge und -versorgung, Landwirtschaft, Krankenstationen, Umweltschutz u.s.w.. Mit einem Team von Rotariern bin ich 1-2 mal im Jahr in der Hilfsregion, arbeite allerdings fast täglich an diesen Projekten, gemeinsam mit unserem Kooperationspartner vor Ort.

Vor 3 Jahren habe ich dann den gemeinnützigen Natur- und Artenschutzverein NatureLAB St. Wendel e.V. gegründet, um auch in unserer Region zum Erhalt der Natur und der Artenvielfalt beizutragen. 

Neben dem Beruf und den Projekten im In- und Ausland steht natürlich meine Familie an erster Stelle. Mittlerweile habe ich bereits 2 Enkelkinder, die mir den größten Spaß bereiten. Für sonstige Hobbys bleibt leider nicht viel Zeit. Aber ich reise gerne und häufig, fahre im Sommer Motorrad, gehe als ehemaliger Marathonläufer mehr oder weniger regelmäßig joggen und reite wenn es die Gelegenheit dazu gibt. Dazu gehöre ich seit fast 50 Jahren dem Schützenverein Diana St. Wendel an.

Wie sieht ein typischer Tag in Ihrem Leben aus?

Dies hat sich durch die Corona-Zeit sehr verändert. Vor Corona bin ich meistens schon sehr früh zu unserer Unternehmenszentrale von proALPHA nach Kaiserslautern oder zu Kunden gefahren. Mittlerweile stehen unsere Büroflächen überwiegend leer. Etwa 80 % der mehr als 2000 Mitarbeitern weltweit, sind im Homeoffice. Auch ich als Geschäftsführer erledige heute die meisten Aufgaben von zu Hause aus.

Die Arbeitszeiten sind sehr gedrängt mit Terminen und erstrecken sich häufig durch Vorbereitungen auch über das Wochenende. Allerdings lasse ich es mir selten nehmen, über Mittag mit unserer Jack-Russel Hündin über den Panoramaweg spazieren zu gehen. 

Neben den beruflichen Themen stehen fast täglich auch Aufgaben für die humanitären Projekte in Kenia und natürlich auch für NatureLAB St. Wendel auf dem Tagesprogramm.

Wie würden Sie Ihre Tätigkeit als Vorsitzender des NatureLAB?

Die Aufgaben als Vorsitzender sind vielfältig und waren nach der Gründung des Vereins, für mich in Teilen Neuland. NatureLAB St. Wendel wurde als gemeinnütziger Verein erst in 2021 gegründet, mit dem Ziel den Natur- und Artenschutz in der Region zu stärken, Bürger und hier vor allem Schüler und Jugendliche einzubeziehen, aber auch Interessensvertretung für den Natur- und Artenschutz zu sein.

Mittlerweile haben wir eine starke Mitgliedschaft und ein schlagkräftiges Vorstandsteam. Hier unterstützt uns fachlich der bekannte Naturschutzbeauftragte der Kreisstadt St. Wendel, Peter Volz. Meine Stellvertreterin Prof. Dr. Susanne Hartard bringt Ihr wertvolles Know-How als Professorin am Umweltcampus Birkenfeld mit ein. Darüber hinaus haben wir Verantwortlichkeiten für unterschiedliche Ressorts geschaffen. Obwohl wir ein junger Verein sind, beschäftigen wir seit Oktober 2023 mit Stefanie Dell, eine festangestellte Geschäftsführerin, die unsere Entwicklung bereits maßgeblich beschleunigt hat. Darüber hinaus hat der Verein mit Anna-Luisa Besch eine Absolventin des FÖJ Freiwilligen ökologischen Jahres. Auch sie hat bereits wertvolle Dienste geleistet.

Als Vorstandsvorsitzender habe ich natürlich überwiegend Gestaltungsfunktion, bin aber auch in vielen Hands-on-Aktivitäten sowie administrativen Aufgaben und bin natürlich auch in die Finanzierung des Vereins sehr stark eingebunden. Da wir mit vielen Partnern im Sinne des Natur- und Artenschutzes zusammenarbeiten ist ebenso die Pflege dieser Partnerschaften und des Netzwerkes ein wichtige Aufgabe.

Warum engagieren Sie sich gerade beim NatureLAB?

Während der Corona-Zeit ist mir bei vielen Spaziergängen über den Panoramaweg und der Region Richtung Werschweiler aufgefallen, dass es deutlich weniger Insekten, Vögel und Offenlandbewohner gibt als früher. Ein weiterer Auslöser war dann die international anerkannte Krefelder Studie, die aufgezeigt hat, dass wir in den vergangenen 30 Jahren mehr als 70 % unserer Insektenbiomasse verloren haben. Als unmittelbare Folge daraus haben wir ca. 60 % der Feld- und Wiesenvögel verloren sowie viele weitere Tierarten. Diese Zahlen haben mich schockiert. Gerade die ca. 100 ha große Fläche am Panoramaweg, damals überwiegend durch Intensivlandwirtschaft genutzt, gehörte nach Auffassung des Umweltministerium zu einer der größten, verarmten Flächen des Nordsaarlandes. 

Damals beschloss ich zumindest mit meinen eigenen Möglichkeiten etwas dagegen zu tun. Nach Konsultationen mit dem Umweltministerium, unserem Naturschutzbeauftragten der Stadt St. Wendel, Peter Volz, und dem Nabu haben wir begonnen, Obstbäume entlang des Panoramaweges und des Kniebrechers zu pflanzen und Blühwiesen und -streifen anzulegen. Mittlerweile haben wir rund 13 ha, der rund 100 ha großen Fläche in naturnaher Bewirtschaftung in Form von Blühwiesen und -streifen. Die beteiligten Landwirte kooperieren in ausgezeichneter Weise mit uns zum besseren Schutz unserer Natur. Mit dem Wendelinushof pflegen wir mittlerweile eine sehr intensive und vielfältige Zusammenarbeit. Auch der Billerborner Hof der Familie König war von Anfang an sehr unterstützend und hat zwischenzeitlich auf Öko-Landbau umgestellt. In der Zwischenzeit haben wir als Verein in dieser kurzen Zeit viel mehr erreicht, als ich mir damals hätte vorstellen können.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für Vereine?

Da wir mit dem Thema Nachhaltigkeit/Naturschutz ein wichtiges gesellschaftliches Thema in der Region vorantreiben, entwickelt sich das Thema des Mitgliederzuwachses erfreulich. Viele Menschen, darunter auch viele Jugendlichen, spüren die Verantwortung insbesondere für die nachfolgenden Generationen und unterstützen unsere Maßnahmen.

Natürlich stellt die Finanzierung dieser Vereinsstrukturen, der vielfältigen Projekte sowie die Unterhaltung der bewirtschafteten 13 ha an Blühwiesen und Blühstreifen am Panoramaweg, die größte Herausforderung dar. Aber grundsätzlich werden wir von Unternehmen, Partnern, dem Umweltministerium, der Stadt St. Wendel, dem Landkreis und weiteren Institutionen sehr gut unterstützt.

Wie schafft man als Ehrenamtler die vielfältigen Aufgaben in Ihrem Verein? 

Es ist für viele von uns nicht einfach, neben beruflichen Herausforderungen auch noch ehrenamtlich einen Natur- und Artenschutzverein voranzubringen und Projekte durchzuführen. Unabdingbar dafür ist ein starkes und motiviertes Team, gute Zusammenarbeit und Prioritätensetzung. Da viele von uns noch berufstätig sind, haben wir uns bewusst dafür entschieden, eine festangestellte Geschäftsführung zu etablieren. Dies entlastet einerseits den Vorstand und verbessert die Effizienz der Vereinsarbeit enorm. Auch unsere Mitarbeiterin, die ihr FÖJ bei uns im Verein absolviert, ist eine große Hilfe dabei. 

Was mögen Sie besonders am St. Wendeler Land?

Da ich St. Wendel häufig aus der Perspektive des Panoramaweges und des Bosenberges betrachte, gefällt mir besonders die hügelige und bewaldete Landschaft des St. Wendeler Landes, in die St. Wendel wunderschön eingebettet ist. Natürlich ist auch die Innenstadt St. Wendel eine kleine Perle mit Wohlfühlatmosphäre. Auch als Motorradfahrer genieße ich diese hügelige und kurvenreiche Landschaft, mit den vielen Ausflugszielen, sehr. 

Was würden Sie gerne für Vereine verbessern?

Aus meiner bisherigen Erfahrungen gibt es bereits viele Unterstützungsmöglichkeiten für Vereine. Der Landkreis und auch die Stadt St. Wendel unterstützen gut und vielfältig. Eine Aufwertung des Ehrenamtes, Honorierung des Beitrages für die Gesellschaft und vor allem ein erleichterter Zugang zu finanziellen Fördermöglichkeiten sollten weiter verbessert werden. Allerdings befürchte ich bei der aktuellen Kassenlage der öffentlichen Hand eher das Gegenteil. Wir hoffen, dass es aufgrund der großen europäischen EU-Initiativen und den weltweiten Verpflichtungen zum Erhalt der Biodiversität für NatureLAB in der Zukunft deutlich mehr Möglichkeiten der Finanzierung für die umfangreiche Naturschutzprojekte in der Region gibt. 

Was ist Ihr Lieblingsort/Geheimtipp im St. Wendeler Land?

Obwohl ich oft im Ausland unterwegs bin, vorwiegend Afrika und USA, fühle ich mich im St. Wendeler Land tatsächlich pudelwohl. Meine Lieblingsorte im nahen Umfeld sind, wen wundert es, der Panoramaweg, das Lautenbachtal sowie das Tiefenbachtal. Dies lässt sich wunderbar verbinden mit einem Besuch des schönen Wendelinushofes, auf dem NatureLAB einen Arbeitsplatz hat. Abends ist der Schlossplatz mit seinen angrenzenden Restaurants ein sehr schöner Ort das Leben zu genießen. 

Was gibt Ihrem Leben die besondere Würze?

Als Rotarier würde ich sagen, dass es der sehr vielfältige Dienst für Menschen und die Natur ist. Dies ist für mich sehr befriedigend, erfüllend und sinnstiftend. Natürlich ist es auch die Vielfältigkeit an Aufgaben, Interessen die einen jung halten. In jedem Fall darf auch die Familienzeit nicht zu kurz kommen und für Hobby sollte auch noch etwas Zeit übrig bleiben. Besonders genieße ich auch den Austausch mit Menschen im In- und Ausland, sei es mit Mitarbeitern, der notleidenden Bevölkerung in Kenia oder den vielen Mitstreitern im Rahmen des Natur- und Artenschutzes.

Wie würden Sie die „St. Wendeler Land Mentalität“ beschreiben?

Ich erlebe die meisten Menschen als sehr offen, aufgeschlossen, oft originell, lebensfroh und mit einer gewissen Lockerheit ausgestattet. Das gefällt mir sehr. Aber auch der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft ist stark ausgeprägt und wie bekannt, sind die Saarländer sehr heimatverbunden.

Vielen Dank für das Interview!